Elisabeth Wagner
Gerhard Marcks Haus Bremen
Als seien sie eben aufgetaucht, wie aus dem Wasser, von Dunkelheit noch umgeben, von künstlichen Spots beleuchtet: Gesichter aus der Malereigeschichte, in Büsten verwandelt. Etwa kniehoch begegnen sie den Betrachtenden zu einem Blicktausch mit ungewöhnlichem Neigungswinkel. Darunter Maria nach Fouquet, sehr fein, weiß, kalkig, fern. Materialität und Fassung der Skulpturen spielen mit Erinnerungen, Anmutungen und Erwartungen. Und wie verändert sich das malerische Porträt in der Dreidimensionalität? Wovon sprechen greifbare Körperlichkeit und Stofflichkeit im Ensemble und räumlichen Dialog? Elisabeth Wagner (*1954) fragt nach der Person vor der Porträtwerdung und nach deren Persönlichkeit im Porträt. Welche Signale haben die Maler aus der Modellsitzung aufgegriffen? Eröffnet die Übertragung in die plastische Sprache eine andere Art der Verkörperung? Die Künstlerin schaut auf die Konstruktion des Bildnisses durch unseren Blick und durch das künstlerische Medium. Von der Malerei in die Skulptur und über Fotografien der Büsten wieder zurück in die Fläche. Schaffen es die Porträtierten über die Repräsentation zur Präsenz und ins Prä- sens. Holt sie unser Echo auf ihre Augen und ihren Ausdruck aus der Tiefe der Zeit?
„Falsche Freunde” nennt die Hamburger Bildhauerin ihre Werkreihe, die einen Raum des Bremer Gerhard Marcks Hauses füllt. Wer diesen Raum betritt, hat schon die hohe Empfangshalle passiert. Wagner bestückt sie mit einer visuell offensiven Schrift-Zeichen-Arbeit. Diese gibt sich wie eine Verheißung, ohne zu offenbaren, was die Eintretenden erwartet. Ein hintersinniges Spiel mit der Raumsprache und Funktion des Foyers. Der subtile Umgang mit der Ausstellungsarchitektur ist integraler Bestandteil von Wagners Auftritten.
Jeden Raum nimmt sie einzeln in den Blick, arbeitet mit Kontrasten und Korrespondenzen und schafft so spezifische Orte für ihr vielgestaltiges Werk.
Figuration wie in den „falschen Freunden” oder Abstraktion wie in Resonanzen auf Brancusi. Drahtkuben, die in einer Aura des Schimmerns eher Leere und Auflösung zuneigen als einer physischen Gegenwart. Mantelformen, die von Hülle und Verborgenheit sprechen. Vasen als Archetypen funktionaler Gefäße, aber auch metaphorischer Behältnisse. Eingebettet in eine Ansammlung verschiedenster Materialien, von Güssen und Abgüssen, Zwei- und Dreidimensionalität, von Objekten aus dem Baumarkt, die in die ästhetische Liga aufsteigen. Der Strang in dieser Streuung ist die Frage nach dem Bild und dem Bildlichen. Woraus speist es sich und wie wirkt es? Die Bildhauerin lenkt unseren Blick auf die Signale von Form und Zeichen in deren Beziehung zu Raum und Medium. Sie umspielt auf der Basis hoher Reflektiertheit in sinnlicher Weise die Verhältnisse von Bild und Abbild, Repräsentation und Präsenz. Dabei thematisiert sie die Physis als Portal zur Psyche, die Leiblichkeit der Bildhauerei als Strategie einer symbolischen Verkörperung. Elisabeth Wagner übt Kunst als Befragung aus, in einer Stringenz und Präzision, die Antworten nachrangig macht.
Rainer Beßling
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