Elisabeth Wagner

Bildhauerin | Professorin für Bildhauerei

hinten links ist Schimmer

 

Gerhard-Marcks-Haus Bremen

07. November 2021 - 13. Februar 2022

 

Hier verbinden sich Ort und Spur. Hinten links klingt ja ziemlich präzise und deutet zugleich eine Ferne an. Und dort ist der Schimmer, der Schein, der Glanz, ein Anflug, ein Hauch, eine Spur.

Damit sind wir in der Kunst von Elisabeth Wagner, die in ihrem weitgespannten Werk den Raum aufnimmt, bedenkt und so Ding und Raum in präziser Korrespondenz erst zur Erscheinung bringt. Ihre Objekte betreten die Bühne und eröffnen ein Pingpong von Geben und Nehmen, von wechselweiser Bereicherung der unterschiedlichen Vokabulare und damit ein vielschichtiges Sehen, das nicht ans Ende kommt. Hier werden Faktizität, Materialität und Imagination – fast im Paradox – zu simultanen Momenten der Wahrnehmung. Hier wird eine Welt zwischen den festgefügten Kategorien erprobt und entdeckt: die Tatsächlichkeit, aber auch die Poesie des Materials und damit die Bedingungen des Erscheinenden. Nichts verhärtet sich zur einsinnigen Sicht auf das, was wir sehen. Immer ergeben sich neue Sehscharniere und Volten von einem zum andern. Die einzelnen Objekte, die Dinge lassen sich immer wieder neu anschaulich aufeinander beziehen,  öffnen überraschende Blickwechsel zwischen Bild und Form. Ein tangibles Sehen und Denken wird erkundet und entworfen, diese Sichtbarkeitsgebilde rufen ein spürbares Verhältnis zwischen Blick und Gegenblick und so eine Erfahrung des gelebten Raums hervor. Es geht in diesem  mise-en-scène um Möglichkeitsfelder und dieses Mögliche nomadisiert dann an der Schnittstelle zwischen Innen und Außen, zwischen Dasein und Mitsein. Das Kunstwerk verbindet so auch ein Ich und ein Du, ist eine Einladung, an einer vielstimmigen Konversation teilzuhaben, die auch die unabgegoltenen Seinsmöglichkeiten der Vergangenheit zum Klingen bringen kann.

 

Text zur Ausstellung von Dorothée Bauerle-Willert aus dem Ausstellungskatalog Elisabeth Wagner. Hinten links ist Schimmer

 

 

 

 



 

Falsche Freunde
Gesamtinstallation
750 x 375 x 50 cm, 9 Büsten


Detailansicht v.l.

 

Philipp IV, 2000
Gips, bemalt

Maria Luisa, 1999
Gips, bemalt

Diego, 2021
Gips, bemalt

 

Philipp IV als junger Mann I, 2010
Keramik glasiert


oben: Kleine Lucretia, 2005
Gips, bemalt

 

 

 

Sie tauchen buchstäblich auf, wie aus dem Wasser, von Dunkelheit umgeben, von einzelnen künstlichen Spots beleuchtet: Gesichter aus der Malereigeschichte, in Büsten verwandelt.
Etwa kniehoch erwarten sie die Betrachtenden zu einem Blicktausch mit ungewöhnlichem Neigungswinkel. Darunter Maria nach Fouquet, „sehr fein, weiß, kalkig, fern“. Materialität und Fassung der Skulpturen spielen mit Anmutungen und Erwartungen.
Wie verändert sich das malerische Porträt in der Dreidimensionalität? Wovon sprechen Körperlichkeit und Stofflichkeit?
Elisabeth Wagner fragt nach der Person vor der Porträtwerdung und nach deren Persönlichkeit im Porträt. Welche Signale haben
die Maler aus der Modellsitzung aufgegriffen? Eröffnet die Übertragung in die plastische Sprache eine andere Art der Verkörperung? Die Künstlerin schaut auf die Konstruktion des Bildnisses durch unseren Blick und durch die Medien. Von der Malerei in die Skulptur und über Fotografien der Büsten wieder zurück in die Fläche. Schaffen die Porträtierten es über die Repräsentation zu Präsenz und ins Präsens. Holt sie unser Echo auf ihre Augen und ihren Ausdruck aus der Tiefe der Zeit? 

 

„Falsche Freunde“ nennt die Hamburger Bildhauerin ihre Werkreihe von Büsten, die einen Raum des Bremer Gerhard Marcks Hauses füllt. Wer diesen Raum betritt, hat bereits die hohe Empfangshalle passiert. Wagner bestückt sie mit einer visuell offensiven Schrift- Zeichen-Arbeit. Diese gibt sich wie eine Verheißung, ohne zu offenbaren, was die Eintretenden erwartet. Ein hintersinniges Spiel mit der Raumsprache und Funktion des Foyers. Der subtile Umgang mit der Ausstellungsarchitektur ist integraler Bestandteil von Wagners Auftritten. Jeden Raum nimmt sie einzeln in den Blick, arbeitet mit Kontrasten und Korrespondenzen und schafft so
Orte für ihr vielgestaltiges Werk. 

 

Figuration wie in den „falschen Freunden“ oder Abstraktion wie in Resonanzen auf Brancusi. Drahtkuben, die in einer Aura des Schimmerns eher Leere und Auflösung zuneigen als einer physischen Gegenwart. Mantelformen, die von Hülle und Verborgenheit sprechen. Vasen als Archetypen funktionaler Gefäße aber auch metaphorischer Behältnisse. Eingebettet in ein Sammelsurium verschiedenster Materialien, von Güssen und Abgüssen, Zwei- und Dreidimensionalität, von Objekten aus dem Baumarkt, die
in die ästhetische Liga aufsteigen. Der Strang in dieser Streuung ist die Frage nach dem Bild und dem Bildlichen. Woraus speist
es sich und wie wirkt es? Die Bildhauerin lenkt unseren Blick auf die Signale von Form und Zeichen in deren Beziehung zu Raum
und Medium. Sie umspielt auf der Basis hoher Reflektiertheit in sinnlicher Weise die Verhältnisse von Bild und Abbild, Repräsentation und Präsenz. Dabei thematisiert sie die Physis als Portal zur Psyche, die Körperlichkeit der Bildhauerei als Strategie einer symbolischen Verkörperung. Elisabeth Wagner übt Kunst als Befragung aus, in einer Stringenz und Präzision, die Antworten nachrangig werden lässt.

 

 © Artline

 

 

 



 

Falsche Freunde II (Arnolfini), 2018
gerahmt 30 x 30 cm

Fine Art Print


 

 


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